Die Prüveda
Die Prüveda ist ein Motorsegler, Typ Gouwzee III, der Entwurf stammt vom holländischen Konstrukteur Pieter Beltsnyder. Sie wurde 1972 in einer Kleinserie in der holländischen Werft Petersen in Stahl gebaut. Länge über alles 10m, Breite 3.25, Tiefgang 1.30m, Gewicht ca.10 Tonnen. Wir haben das Schiff 1998 erworben und somit vor dem Zerfall gerettet. Für den Ausbau benötigten wir 6 1/2 Jahre. Dabei haben wir das ganze Schiff innen wie aussen im Selbstbau, gründlich überholt, erneuert, erweitert und ergänzt.
Das Segel gerefft unter voller Fahrt
Das Dschunkensegel
Da der verrottete Mast und die alten Segel nicht mehr zu gebrauchen waren, haben wir uns für die Umänderung auf ein Dschunkenrigg entschieden, eine Besegelung wie sie die Chinesen schon vor 2000 Jahren verwendet haben, lange vor Kolumbus Zeiten.
Das Dschunkenrigg im Vergleich zum Bermudarigg
Normale Bermudariggs die heute auf 99% aller Segelboote stehen, brauchen, um optimal zu funktionieren, eine Auswahl verschiedener Vorsegel oder teure Rollsegel. Ihre Masten werden von Wanten und Stagen gehalten, die immer unter starker Spannung stehen. Der große Vorteil dieses Segeltyps ist, dass es gegen den Wind effektiv und schnell ist. Daher ist es vor allem auf Regattayachten sehr populär und zu diesem Zweck wurde es erfunden.Fährt man mit einem normalen Bermudarigg vor dem Wind, verlieren die Segel viel von ihrer Effektivität, weil sie nicht für diesen Wind konstruiert wurden. Das hintere Großsegel steht an den seitlichen Wanten an und deckt das Vorsegel ab, welches dann auf die andere Seite ausgebaumt werden muss. Um effizienter mit dem Wind zu segeln wird daher oft ein Blister oder Spinnaker gesetzt. Solche Segel zu handhaben bergen aber auch Gefahren, Spinnackerbäume müssen am Mast und am Segelende befestigt werden, bei einer Fahrtencrew von Mann und Frau eine nicht einfache Aufgabe. Auch das Segeln mit diesen meist großen geblähten Segeln verlangt Konzentration und gute Wind- und Steuerkenntnisse. Wir sprechen hier schon von mindestens vier teuren Segeln die ein solches Boot braucht.Wir sind als Fahrtenschiff und nicht als Rennyacht unterwegs, so haben wir normalerweise auch etwas Zeit und tendieren dazu, meist mit dem Wind zu segeln und die Großwindsysteme auszunutzen wie z. B. den Passatwind für die Atlantiküberquerung. Es werden kurze und lange Strecken vor oder mit halbem Wind gesegelt, was das Segeln angenehmer macht, als wenn das Boot ständig schräg auf einer Seite steht und hart in die Wellen schlägt. Bei Gegenwind ab 5 Bft. stampft sich unser Motorsegler in der Welle fest, sodass motorsegeln angesagt ist. Diese Eigenschaften bestätigen uns auch viele Fahrtensegler mit Bermudariggs.
Eigenschaften des Dschunkenriggs
Beim Dschunkenrigg benötigen wir nur ein Segel (47m²) das mit durchgehenden Latten versehen ist. Bei starkem Wind wird die Segelfläche einfach von Latte zu Latte gerefft (verkleinert). Dazu muss auch niemand aufs Vordeck, alle Segeleinstellungen können bequem und ohne großen Kraftaufwand aus dem Cockpit eingestellt werden. Vor dem Wind kann dieses Segel nicht nur maximal gefiert (geöffnet), sondern auch in die Schiffsmitte geschwenkt werden. Der Segelschwerpunkt liegt nun innerhalb der Schiffslängsachse, was das Rollen des Bootes vermindert. Das oberste Panel das wie ein Dreieck geschnitten ist, dient auch als Sturmsegel. Dschunkensegel hatten in früheren Zeiten den Nachteil, dass die Latten bei wenig Wind steif und bei viel Wind gebogen waren. Eigentlich muss ein Segel bei wenig Wind einen Bauch haben und bei viel Wind sollte es straff gespannt sein. Mit so genannten „Cones“ das sind schräg abgedrehte Zwischenstücke aus Delrin (Hartplastik) die zwischen den geteilten Latten eingefügt sind, wurden die Leichtwindeigenschaften erheblich verbessert. Das Segel hat nun mit dem gewünschten Bauch einen besseren Vortrieb. Auch die Kreuz- und Amwind Eigenschaften haben sich mit diesem System stark verbessert. Beim Motorsegeln leistet das Dschunkensegel optimalen Vortrieb und hilft Diesel zu sparen.
Wenden, Halsen, Reffen und Beidrehen
Das Wenden und Beidrehen ist sehr einfach und ohne große Anstrengung möglich. Beim Wenden verändert sich die Segelstellung nicht, es wird einfach auf den neuen Kurs gesteuert. Halsen erfordert anfangs etwas mehr Übung, meistens reffen wir zuerst ein bis zwei Panel, holen das ganze Segel an der Schot ein und schwenken es kontrolliert auf die neue Seite. Es ist zu achten, dass sich die langen Schotleinen nicht vertörnen, oder an den Aufbauten hängen bleiben.Das Dschunkenrigg ist sehr leise, es entsteht kein lautes Schlagen in der Wende oder beim aufdrehen in den Wind, die Latten sorgen für Ruhe. Schlagende Segel und deren Stressfaktor kennen wir nicht.Ein Dschunkensegel bietet auch für eine kleine Crew Sicherheit, kann es doch jederzeit sofort mit einem Handgriff gerefft werden, ohne dass das Boot zuerst in den Wind gedreht werden muss. Ein kurzer Zug am Fall und das Segel fällt in die Lazy Bags, dann kann mit verkleinerter Fläche weiter gesegelt werden. Umgekehrt kann mittels der einzigen Winsch auch in Fahrt die Segelfläche wieder vergrössert werden.
Der Mast
Unser Dschunkenrigg hat einen runden freistehenden Alumast mit einem Durchmesser von 180mm und einer Wandstärke von 6mm. Der 10,65m lange Mast steht an Deck in einer Masthalterung aus 10mm dickem Stahl, dieses U- Eisen wurde durchs Deck bis zum Rumpf fest eingeschweißt. Gemäß dem Fachbuch: Practical Junk Rig können aber auch Vollholzmasten, geleimte Holzmasten, Stahlmasten etc. verwendet werden, Straßenlampenpfähle nicht ausgeschlossen! Auf kleineren Booten werden neuerdings gerne die leichten Carbonmasten verwendet. Weil unser Mast rund ist, kann das Segel fast rundherum geschwenkt werden und steht nicht an seitlichen Wanten an. Wir verwenden ein Vorstag, ein 8mm Edelstahl Drahtseil, das als SSB Antenne (für den Weltempfänger) und für die Mastlegevorrichtung dient, die meisten Dschunken haben aber kein Vorstag, sodass der Mast ganz frei steht.
Finanzielle Vorteile des Dschunkenriggs
Das Dschunkenrigg ist ein sogenanntes Low-Tech-Rigg, günstig zu bauen, günstig zu unterhalten und einfach in der Wartung. Unser Segel braucht nur eine Winsch, wenn überhaupt, meistens kann das Segel einfach von Hand aufgezogen werden. Die Leinen und die Leinenstopper haben kleine Durchmesser, außer dem Fall (10mm) sind alle Leinen 8 oder 6mm dick, das macht sich in Gewicht und Kosten bemerkbar (siehe unten; oft gestellte Fragen). Das Fall mit Lewmar Blöcken ist vierfach geschärt um das grosse Gewicht von Segel, Spiere und Latten zu setzen.Bei nur einem Segel kann der vorhandene Stauraum unter Deck für andere wichtigere Dinge genutzt werden, das Segel bleibt am Mast angeschlagen und wird mit einer Persenning abgedeckt.
Unsere Erfahrungen mit unserem Dschunkenrigg
Nach mehrere tausend gesegelten Seemeilen sind wir mit unserem Rigg mehr als zufrieden, zuerst betrachteten wir das Topgewicht mit der Spiere und den Latten und dem sich nicht verjüngtem Mast nach oben als einen Nachteil. Prüveda ist ein Motorsegler, hat weniger Kielballast als ein „reines“ Segelschiff, deshalb krängt sie etwas früher. Anfänglich haben wir meistens zuwenig Segel gesetzt, merkten dann schnell, dass Prüveda etwas an Fläche braucht, um die eigenen 10 Tonnen vorwärts zu bewegen. Wir benötigten auch einige Seemeilen an Erfahrung um alle Einstellungen am Segel richtig zu handhaben. Wir sind überzeugt, würde das Dschunkenrigg heute neu erfunden, hätten sicher mehr Segelschiffe diese Besegelung. Leider geriet das Dschunkenrigg und dessen genialen Eigenschaften in Vergessenheit, doch sind wir bemüht das Altbewährte wieder aufleben zu lassen. Wir freuen uns den interessierten, vielleicht zuerst skeptischen Segler, mit unseren Berichten und Erfahrungen vom Dschunkenrigg zu überzeugen.
Oft gestellte Fragen
Woher habt ihr euere Dschunken Rigg Kenntnisse?
Aus den Büchern
Annie Hill, Voyaging on a small income (in englisch ISBN 1-85310-425-6)
Annie Hill, Mit kleinem Geld auf große Fahrt (in deutsch ISBN 3-89365-663-4)
Hasler und McLeod, Practical Junk Rig Fachbuch (in englisch ISBN 1-85310-425-6)
Junk Rig Association in England:
Dschunkenrigg Verein, mit eigener Fachzeitschrift (4 Ausgaben im Jahr)
mit Reportagen, Fachberichten und Erfahrungen rund ums Dschunkenrigg.
Ansprechperson:
Robin Blain (Sunbird Marine Service)
373 Hunts Pond Road Titchfield Common
Fareham Hants PO14 4PB
Mail: rblain@sunbirdmarine.com
Homepage: sunbirdmarine.com
Woher habt ihr euer Design, Segel und Mastberechnungen?
Robin Blain, Sunbird Marine Service, mit Absprache eines Naval ArchitektenSegel: Christopher Scanes, hat sich auf Dschunken Segel spezialisiert, arbeitet mit Robin Blain zusammen.Eine gute Adresse für Traditionssegel wie auch für Dschunkensegel : Tuchwerkstatt Greifswald www.tuchwerkstatt.de
Woher habt ihr euren runden Mast?
Mastbau: Franz Kerber (war jährlich an der Interboot in Friedrichshafen)FK-Mastbau, Rigg- und BootszubehörAffaltracher Strasse 30/1D-74182 Obersulm-Willsbach
Was kostet in etwa ein Dschunkenrigg?
Segel und Mastberechnung (1999) | CHF 1200.00 |
Segel 47m ² vom Segelmacher ausgeführt (2001) | CHF 4000.00 |
Mast, Spiere, Baum und Latten Alu, vom Mastbauer (2004) | CHF 5400.00 |
Zusätzlich Blöcke, Leinen und eine Winsch ca. | CHF 2000.00 |
Braucht ein Dschunkenrigg keine Wanten und Stagen?
Ein Dschunkenrigg kann ohne Wanten und Stagen gesegelt werden, da der Winddruck durch den Mast der fest in der Masthaltevorrichtung steht, aufgefangen und über den Rumpf übertragen wird. Dabei ist es wichtig, dass der Mast mindestens 10% seiner Gesamtlänge in der Masthaltevorrichtung steht. Das Segeln mit einem Dschunkenrigg fühlt sich daher sehr weich an, da der Mast nicht hart verspannt ist etwas nachgeben kann. Auch die durchgelatteten Segellatten tragen ihren Teil dazu bei. So werden die Bewegungen angenehm weich auch wenn unser Schiff durch die Wellen fährt. Wir haben aber trotzdem ein Vorstag, dieses dient als SSB Antenne und für das Legen und Stellen unseres Mastes Auch ein Dschunkenrigg kann wenn gewünscht verstagt werden. Wird zum Beispiel eine Ketch also eine Schiff mit zwei Masten mit Stagen und Wanten versehen, so können, bei Wind von achtern (hinten) ,beide Segel gegenseitig bis 80 Grad zur Längsachse, also bis zu den Wanten gefiert (ausgestellt) werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die „Gazelle“ vom amerikanischen Konstrukteur Tom Colvin, die mit einem Bugspriet sogar noch ein zusätzliches Vorsegel hat.
Wie hoch segelt ein Dschunkenrigg am Wind?
Bis Norwegen“ lautet meistens spasseshalber unsere Antwort. Wir können am Wind segeln, wie ein normales Bermudarigg, sind jedoch nicht gleich schnell, dafür segeln wir sanfter. Das Gewicht des Bootes, Rumpftyp sowie die Segelfläche spielen natürlich eine erhebliche Rolle.
Kann mit einem Dschunkenrigg beigedreht werden?
Nichts leichter als das, immer wieder kursiert die Meinung, dass mit einem Dschunkenrigg nicht beigedreht werden kann.
Wo konntet ihr ein Dschunkenrigg probesegeln?
Wir sind dafür nach England gefahren, und konnten dort mit Robin Blain auf seinem Dschunkensegelboot probesegeln. Dadurch erhielten wir einen guten Eindruck und Fachmännische Anweisungen und Erklärungen. Wir lernten auch das ein Dschunkenrigg viele Fehler verzeiht, die man als Anfänger so macht.
Der Motor
Der von der Werft ursprünglich eingebaute 25 jährige Volvo Penta MD 2B wies Risse im Motorenblock auf. Eine Reparatur wäre zu kostenaufwendig gewesen, Ersatzteile waren unseres Wissens nur aus Schweden erhältlich und zudem hatte er nur 25 PS und eine Einkreiskühlung. Nach vielen eingeholten Offerten haben wir uns dann für einen neuen Vetus P 4-17 Marinemotor auf Basis eines Peugeot entschieden. Der „Gelbe“ hat 42 PS und Zweikreiskühlung, zwischen dem Hurth Getriebe und der Propellerwelle sitzt eine Bullflex Kupplung, weil zu wenig Platz für ein Drucklager vorhanden war. Der Motor steht auf neu eingeschweißten Fundamenten, die mit einer Digitalwasserwaage ausgerichtet wurden. Die Propellerwelle (mit Stopfbuchse) liegt genau im gleichen Winkel wie die Motorlängsachse. Vorne am Pulley wurde noch ein weiteres 3-fach Pulley (Keilriemenrad) befestigt, um eine Hochdruckpumpe für die Entsalzungsanlage anzutreiben. Ebenso wird damit eine mechanische 1″ Impellerpumpe angetrieben, welche verschiedene Aufgaben erfüllt: Sie bringt die Wasserzufuhr für die Entsalzungsanlage, kann jedoch auch umgestellt werden auf die Ankerdusche, oder im Notfall bei Wassereinbruch wird sie als Lenzpumpe eingesetzt. Der Motor war konserviert, stand aber noch sechs Jahre neben und im Schiff, bis wir ihn das erste Mal starteten. Nachdem wir alles sorgfältig angehängt und vorbereitet hatten, drehten wir nur einmal den Schlüssel und unser Jockel arbeitete, das war ein tolles Gefühl.
Der Motor alt und neu
Das Cockpit alt und neu
Die Kombüse alt und neu
Navigationsecke und WC alt und neu
Koje im Heck alt und neu